(Kommentar von Jérémie Reusser zu Pussyhats, Symbolen und Feminismus)
Am vergangenen Wochenende fand die Jahresversammlung der JUSO Schweiz statt. In diesen zwei Tagen wurde sehr viel über Feminismus diskutiert, oft auf in einer harten, radikalen Art und Weise. Meiner Meinung nach absolut zu Recht, angesichts der Gravität eines Problems, welches in unserer Zeit eigentlich schon längst aus der Welt geschafft hätte werden müssen.
Zugleich bewegten sich immer wieder pinke, rosa oder violette Wollmützen in den Fokus meiner Aufmerksamkeit. Nicht, dass es sich hierbei um ein neues Phänomen und schon gar nicht, dass es sich um eine neue Diskussion handeln würde. Der Kontrast zwischen den Diskursen leuchtete mir infolgedessen aber einmal mehr ein.
Versteht mich nicht falsch, es ist wichtig, dass eine starke Bewegung entsprechende Symbole besitzt. Diejenigen, welche in der feministischen Protestwelle rund um die Wahl von Donald Trump vermittelt werden, haben für mich aber leider wenig mit dem modernen Feminismus zu tun. Eine SP, die am Frauen*kampftag von sich behauptet, schon immer pink gesehen zu haben oder "make Switzerland pink again" - das ist nicht mein Feminismus. Im 21. Jahrhundert erklärt mensch nicht in der Sprache des Patriarchats dem Sexismus den Krieg. Dies ist nicht nur lächerlich, sondern ein Verrat an allen Frauen* und Feminist*innen, welche in der Geschichte für Gleichstellung und Solidarität gekämpft haben. Frauen*kämpfe sind nicht Kämpfe mit Mützen in einer Farbe, die sich nach Genderstereotypen orientiert. Frauen*kämpfe führt mensch nicht mit Stricknadeln, die eine "typische" Frauen*tätigkeit konnotieren. Frauen*kämpfe führt mensch so, wie alle anderen Kämpfe, und nicht mit sexistisch inspirierten Symbolen. Die Revolutionär*innen der Geschichte kämpfen alle mit denselben Waffen, genauso, wie diese keine Farben besitzen: Sie gehen auf die Strassen und demonstrieren. Sie tauschen sich aus, vernetzen sich. Sie sprechen zu Menschen und bilden sich untereinander weiter. Sie streiken. Oder meinetwegen fliegen manchmal Fäuste und Kugeln.
Rosa Wollmützen sind jedoch die Manifestation eines fehlinterpretierten, reaktionären Feminismus. Dass feministische Ansichten nicht überall gleich entwickelt sind, ist leider ein Fakt. Gerade aber derart krass reaktionäre Symbole helfen der Gesellschaft nicht, zu verstehen, was Feminismus ist und was er will. Um Feminismus zu verstehen, zu leben, reicht es nicht, bloss Gleichstellung auf rechtlichen und materiellen Ebenen zu fordern, sondern alle sexistischen Rollenbilder und Stereotypen in der Gesellschaft zu designieren und definitiv abzubauen. Die aktuell benutzten Symbole sind Öl ins Feuer des Patriarchats und Gift für das Bild eines fortschrittlichen, wahren Feminismus.
Weiter stufe ich es als problematisch ein, jegliche Form von Binarität zu vermitteln. Was ich damit meine? Das Symbol der feministischen Protestbewegung an ein Geschlechterbild zu binden, welches Frauen* auf primäre Geschlechtsorgane reduziert, ist komplett überholt. Wie will mensch der Gesellschaft näherbringen, dass Genderidentitäten weder binär, fest, noch über physische Erscheinungsbilder definiert werden, wenn wir so auf die Strassen schreiten? Ich bin nicht der Meinung, dass das "Reclaimen" eines Teils des sichtbaren Lichtspektrums der richtige Weg ist, um Feminismus zu propagieren, nur weil Farben dafür missbraucht werden, die gängigen Rollenbilder voneinander zu unterscheiden. Stereotypen wollen wir zerstören und nicht umdeuten, deshalb sollte sich unsere Kritik nicht innerhalb dieser bewegen. Pussyhats widerspiegeln einen Blick des Feminismus, der zu einem binären und exklusiven Frauen*bild zurückschaut. Was wir benötigen, ist einen Blick nach vorne, ausserhalb der bestehenden Konstrukte, die in unsere Kritik geraten. Es kann nicht das Ziel sein, dass sich Frauen* innerhalb der Bewegung vom Vehikel unserer Idee ausgeschlossen fühlen.
Am 18. März werde ich in den Strassen von Zürich demonstrieren, aber ohne rosa Kopfbedeckung. Diese Kritik richtet sich nicht gegen einzelne Träger*innen des Pussyhats. Ich möchte nicht den Auftrieb für Feminist*innen, den die Katastrophe der Trump-Wahl etc. mitverursacht hat, bremsen. Das ist viel mehr ein Aufruf, die Trends, welche sich auch innerhalb unserer Bewegung entwickeln, zu hinterfragen. Hinterfragt, was wir vermitteln, wenn wir in Pink auf die Strassen gehen. Fragt euch, was wir eigentlich aussagen und ob unsere Mittel die Richtigen sind, um unseren Feminismus zu verbreiten und nicht einen Feminismus, welcher sich an die Grenzen der bürgerlichen Ordnung orientiert.
15.03.2017