Die Coronakrise offenbart an vielen Orten die Unfähigkeit unseres Systems, den darin lebenden Menschen Sorge zu tragen, zuletzt bei der Bildung:
Unter anderen im Kanton Aargau sollen während einer globalen Pandemie nach wochenlangem Unterrichtsausfall Maturitätsprüfungen stattfinden. Dies an Gymnasien, Fachmittelschulen und Maturitätsschulen für Erwachsene.
Nicht nur Expert*innen, sondern auch Schüler*innen sehen damit die Chancengleichheit beschnitten. Bibliotheken sind geschlossen, Fernunterricht ist nicht in allen Fächern gleich gut möglich und die erschwerten Bedingungen werden für viele spürbar: Vermehrte Mitarbeit im Haushalt, konfliktreiche Familien und schlechter Zugang zu psychologischer Betreuung tragen zu sehr ungleichen und belastenden Lernumgebungen bei.
Die Entscheidung, die Prüfungen durchzuführen, hat Alex Hürzeler getroffen, KV-Absolvent und SVP-Regierungsrat. Jemand, der von seiner Entscheidung weder betroffen ist, noch die persönlichen Konsequenzen davon nachvollziehen kann. Während sich andere Kantone gegen eine Durchführung der Prüfungen entschieden haben, handelt die Aargauer Regierung gegen den Willen der Betroffenen, den diese lautstark an ihren Regierungsrat herangetragen haben. Schüler*innen hatten sich nämlich schweizweit zusammengetan, um für einen #Prüfungsstopp zu kämpfen: Einem Aufruf der JUSO Schweiz folgend wurden über 2100 Mails an den Bundesrat und an kantonale Bildungsdirektionen geschrieben, Petitionen wurden lanciert, Instagram-Accounts eröffnet, Hashtags verbreitet und sich an Schulen selbst organisiert. Die gleichgültige Missachtung dieser Anliegen ist ein Schlag ins Gesicht dieser sich gerade politisierenden Jugendlichen. Es verkündet: Uns interessieren eure Bedürfnisse nicht, und dagegen könnt ihr nichts tun.
Was muss die Linke daraus lernen? Ich schlage Folgendes vor:
- Wir müssen den Menschen aufzeigen, dass wir für ihre Anliegen einstehen und sie in unsere Aktionen miteinbeziehen. Noch nie war das Bild der JUSO bei den Schüler*innen so positiv, wie während unserer Mobilisierung gegen die Maturitätsprüfungen.
- Krisen haben das Potential, Menschen zu politisieren. Wir müssen bei dieser Lebensrealität ansetzen und Alternativen aufzeigen. Auch, und wie sich bei der Corona-Krise besonders gezeigt hat, über den digitalen Weg.
- Die Linke muss Antworten parat haben und bei ihren Antworten die Menschen konkret miteinbeziehen. Sowohl bei der Erarbeitung der Antworten als auch bei deren Umsetzung.
(Dieser Text erschien erstmals im Mai 2020 im links, der Mitgliederzeitung der SP Schweiz.)