«Die echte Wahl lautet nicht Arbeitsplätze oder Umwelt. Sie lautet beides oder keines.» - Brian Kohler
Der Kanton Aargau war 2018 für 4,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verantwortlich2 . Die Emissionen der beiden Zementwerke Holcim in Siggenthal und Jura Cement in Wildegg belaufen sich auf über 1 Million Tonnen, entsprechen also einem Viertel des gesamten Aargauer Emissionsvolumens. Damit stehen zwei der drei grössten Treibhausgasverursacher der Schweiz im Aargau3 und beschäftigen gleichzeitig 270 Menschen. Es ist unbestritten, dass die Zementindustrie sich verändern und ökologisch werden muss. Dazu kommen drei von vier in der Schweiz aktiven Atomkraft-Reaktoren mit zusammen ca. 1’000 Angestellten. Weil in einer erneuerbaren Zukunft nicht nur Energiegewinnung und Bau nachhaltig sein müssen, sondern auch alles andere, kommen zu diesen 1’270 Menschen in Zementproduktion und Atomkraft etliche Arbeiter*innen in Transport, Abfallbewirtschaftung, Landwirtschaft, Industrie, Verkehr uvm. dazu, deren Arbeitsplätze durch den Übergang zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Gesellschaft betroffen, verändert oder sogar bedroht werden.
Obwohl – oder gerade weil – im Aargau so viele Arbeitsplätze direkt und indirekt von der Klimakrise und dem ökologischen Umbau betroffen sind, scheinen die Aargauer*innen die Augen vor ihr zu verschliessen: Als einer von vier Kantonen hat der Aargau 2017 die Energiestrategie 2050 abgelehnt, unser bürgerliches Parlament hat sich geweigert, den herrschenden Klimanotstand auszurufen und letztes Jahr wurde schliesslich auch das kantonale Energiegesetz abgelehnt.
Parallel zu dieser Realitätsverweigerung haben im Aargau aber auch Tausende Menschen auf der Strasse genau dafür demonstriert, dass eben jener Klimanotstand von Regierung und Parlament endlich ernst genommen wird. Auch blicken wir auf eine reiche Geschichte des Natur- und Umweltschutzes zurück: Eine starke Anti-Atom-Bewegung hat 1975 das Kernkraftwerk Kaiseraugst verhindert, wichtige Lebensräume werden renaturiert und Wasserkraft wird in grossem Stil genutzt.
Nun steht die Abstimmung zum nationalen CO2-Gesetz an und wir schlittern weiter ungebremst in die Klimakrise. Die Zeit drängt, endlich eine Antwort aus der aargauischen Klimasackgasse zu finden.
Diese Antwort muss heissen: «Just Transition». Ein gerechter Übergang, Umbau, Strukturwandel, je nachdem, wie der Begriff übersetzt wird, ist ein Konzept, das von Gewerkschaftsbewegungen entwickelt wurde und eine Reihe von sozialen Interventionen vorsieht, um die Rechte und den Lebensunterhalt von Arbeiter*innen zu sichern, wenn die Wirtschaft zu einer nachhaltigen Produktion übergeht. Diese Überzeugung hat inzwischen in der EU4 , im US-Amerikanischen Green New Deal5 und sogar in die Präambel des Pariser Klimaabkommens6 Einzug gefunden. Konkret sollen Arbeiter*innen, deren Berufe nicht vereinbar sind mit einer umwelt- und klimaverträglichen Zukunft, Lohnfortzahlungen oder Pensionen, berufliche Perspektiven und Mitspracherechte im Umbauprozess erhalten. Oder einfacher gesagt: Diese Menschen dürfen nicht zurückgelassen werden.
Denn natürlich ist es nicht so, dass die Mehrheit der Aargauer Bevölkerung einfach keinen Klimaschutz möchte, dass ihnen die Zukunft kommender Generationen egal ist. Sondern sie wollen zu Recht, dass dieser Klimaschutz nicht auf ihre Kosten geschieht. Gerade von Arbeiter*innen, die heute zum Beispiel dafür sorgen, dass wir Strom haben, sollen nicht einen unverhältnismässigen Preis dafür zahlen, indem sie für die Erreichung der Klimaschutzziele ihren Job verlieren. Diese Kosten müssen gerecht verteilt werden und vor allem jene Unternehmen, die sich seit Jahrzehnten an der Zerstörung der Umwelt und unserer Zukunft bereichern, müssen dafür geradestehen. Daraus folgt: Will der Aargau seine Bewohner*innen für den Kampf gegen die Klimakrise und für eine erneuerbare Zukunft an Bord holen, muss er sich zu einem gerechten Umbau, zu «Just Transition», bekennen.
Deshalb fordern die JUSO Aargau:
● Unentgeltliche Weiterbildungen und Umschulungen und berufliche Perspektiven für alle, deren Arbeitsplatz durch den ökologischen Umbau beeinträchtigt wird.
● Mitsprache- und Mitgestaltungsrechte für Belegschaften, Gewerkschaften und Berufsverbände im ökologischen Umbau-Prozess.
● Lohnfortzahlungen und würdige Pensionen für Arbeiter*innen, die aufgrund von Klimaschutzmassnahmen ihren Job verlieren.
● die Schaffung zahlreicher neuer klimagerechter Arbeitsplätze in Gewerbe und Industrie.
● die Ausrichtung der Gesellschaft an einer Care- statt einer Profit-Maxime und entsprechend den Ausbau von guten Arbeitsplätzen im klimafreundlichen Care-Sektor.
● Die Finanzierung der notwendigen Massnahmen durch einen neuen Fonds, der von klimaschädlichen Unternehmungen geäufnet wird.
● Anerkennung für den Beitrag, den betroffene Arbeiter*innen bisher für das Funktionieren unserer Gesellschaft geleistet haben.