Medienmitteilung: Kein inklusiver Schweizer Nationalfeiertag, ohne repräsentative Demokratie

01.08.2023

Schweizer Nationalfeiertag, und doch herrscht keine Feierlaune; das Einbürgerungsregime des Kantons Aargau ist Ausländer*innen-feindlich

(Aarau, 01.08.2023)

An einem Tag wie dem 1.August an dem Nationalstolz groß-geschrieben wird und wir als Schweizer*innen unsere Schweiz zelebrieren, stellt sich die Frage was denn eine*n Schweizer*in ausmacht? Ist es tatsächlich nur ein rotes, überteuertes Büchlein, welches darüber entscheidet, wie sehr unsere Stimmen gehört werden - wie können wir heutzutage von fairer Demokratie sprechen, wenn gezielt finanzielle, wirtschaftliche und staatliche Hürden aufgestellt werden?

«Mich überfällt immer wieder ein Gefühl von Scham für die Art und Weise, wie wir insbesondere hier im Kanton Aargau realpolitisch bezüglich Migration und Einbürgerung agieren – oder eben nicht agieren. Ich kann nicht stolz auf die Schweiz sein, während ich weiss, wie viel es uns abverlangt hat um überhaupt erst mitsprechen zu dürfen - für Beschlüsse, welche uns damals ohne diesen roten Pass genauso wie heute getroffen haben. Was mich Schweizerin macht? Scheinbar zu wissen, wie man hier richtig Müll entsorgt, welche Versicherung in der Schweiz 1948 eingeführt wurde und meine 2'000 Franken – und gleichzeitig so ein langer Prozess, welcher es mir fast verdorben hätte, meinen Pass überhaupt zu beantragen. Mitzusprechen und gehört zu werden sollte kein Privileg sein.» so CO-Präsidentin der JUSO Aargau.

Den Titel des zweitstrengsten Einbürgerungsregimes europaweit zu tragen, sollte nicht etwas sein worauf wir stolz sind. Vor allem der größtenteils konservative Kanton Aargau hat mit ihren sich immer weiter verschärfenden Regeln bezüglich Einbürgerung eine weitere Niederlage für unseren Kampf für die Schweiz für alle an Land gezogen.

Wir fordern eine repräsentative, inklusive Demokratie, welche die Interessen aller widerspiegelt - fordern faire Einbürgerungsverfahren und die Überwindung dieser Barrieren.

Mehmet Dogan, Vorstandsmitglied der JUSO-Aargau weiss, dass die Fakten für sich sprechen: “Bereits vor drei Jahren hat der Kanton Aargau die Schrauben der Einbürgerung angezogen. Dies darf nicht weiterhin geschehen, da dies eine Einschränkung der Demokratie verursacht. Ganz im Gegenteil; wir müssen ein faires und realistisches Einbürgerungsverfahren eingleisen, damit wir unsere Demokratie stärken!”

An diesem Nationalfeiertag, an welchem wir den protzigen Stolz einer Nation feiern, sind wir aufgrund der Umstände gar nicht in Feierlaune. Zu kritisieren gibt es genug, feiern sollten wir uns als gesamte Gesellschaft – und nicht nur subjektiv und diskriminierend selektierte Menschen, welche sich dieses Privileg mühsam erkämpft haben oder solche, welche mit diesem Privileg geboren wurden.

Nicht nur ist unsere Demokratie, zumindest in einem solchen Format – mit dem Ausschluss von circa 2 Millionen Menschen – entscheidungsunfähig, sondern auch untauglich, um Beschlüsse für das gegenwärtige Zusammenleben sowie die Zukunft aller zu fassen. Es ist auch unser Staat, unser Kanton Aargau und unsere Gemeinden welche konsequent Fallen aufstellen, um Ausländer*innen die Mitsprache zu verweigern. Ist die Sprachbarriere erstmals überwunden und die Aufenthaltsbedingungen erfüllt, kommen schwere finanzielle Lasten auf die Menschen zu – einschliesslich eines Frage-Quizzes, welches wohl auf wahren Schweizer*innen-Werten basiert – währenddessen diese Fragen nicht einmal zum Allgemeinwissen gebürtiger Schweizer*innen gehören.

VS-Mitglied Melanie Del Fabro hatte im Gegenteil zu ihrer Mutter von Beginn an den Schweizerpass, was ihr schon immer surreal vorkam; “Dank meines Vaters hatte ich von Geburt an das Privileg, das rote Büchlein zu besitzen: meine Mutter hingegen nicht. Zwar ist Windisch ein offenes Dorf mit vielen Ausländer*innen und einer SP-Mehrheit, welche meine Mutter liebend gerne aufnahm - und trotzdem ist es doch nicht in allen Gemeinden so. Oft entscheiden über die Einbürgerung Kommissionen oder gar Gemeindeversammlungen, welche oft von Willkür und Ausländer*innen-Feindlichkeit geprägt sind; deshalb stehen wir für ein menschliches und faires Einbürgerungsverfahren ein!”

Dass die Antragsquote an Schweizerpässen (knapp 1.5%) so tief liegt, sollte uns also nicht wundern. Auch das rechte Lager des politischen Schachbretts Schweiz fordert immer wieder Integration – und gleichzeitig setzt sie alles daran, marginalisierte Gruppen, so sozial und finanziell schwächere Menschen, daran zu hindern, den Schweizerpass zu erlangen. Das müssen und werden wir ändern.

Was wir fordern?

Die Schweiz schließt rund ein Viertel ihrer Bevölkerung vom Bürgerrecht und damit von der Demokratie aus. Sie können weder über ihre Zukunft mitentscheiden, noch können sie allgemein gar nicht erst am politischen Leben teilhaben. Die Beschlüsse der Realpolitik treffen sie meistens am härtesten. Das wollen wir ändern; es sollen Kinder, welche hier geboren sind, Menschen welche rechtmäßig in der Schweiz leben und über Grundkenntnisse der Landessprache verfügen, endlich mitsprechen dürfen und den Schweizerpass erhalten.

Einen ersten Schritt in die richtige Richtung macht die Demokratie-Initiative. Aktion 4/4tel fordert; wer seit fünf - statt wie bislang zehn - Jahren rechtmäßig in der Schweiz lebt, nicht schwerwiegend straffällig geworden ist, die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet, und über Grundkenntnisse einer Landessprache verfügt, soll einen Anspruch auf Einbürgerung haben.

Es wartet ein langer Weg auf uns, bis der 1.August feiernswert wird; damit wir alle mitsprechen, mitmachen, mitentscheiden können.